Inspirationsquelle des tschechischen Poetismus und Surrealismus
übersetzt und mit Nachwort versehen von Ondřej Cikán
illustriert von Antonín Šilar
Tschechisch / Deutsch
"Es war spät Abend – erster Mai – abends der Mai war Liebeszeit." Mit diesen Worten beginnt das Kurzepos über Liebe und Tod des tschechischen Romantikers Karel Hynek Mácha (1810–1836). Ein Räuberhauptmann wird hingerichtet, weil er die Verführung seiner Geliebten gerächt hat. In eindrucksvollen Bildern verabschiedet er sich von der Erde.
Das Kurzepos Mai ist nicht nur eines der berührendsten Werke der Romantik, es diente auch wegen seines avantgardistischen Bilderreichtums den tschechischen Surrealisten als Vorbild und stellt bis heute ein Fundament der tschechischen Dichtung dar.
Die lautmalerische Übersetzung des österreichisch-tschechischen Dichters Ondřej Cikán ist die erste, die die formalen Eigenheiten des Originals nachahmt. Da diese zum Teil in einer gewissen rhythmischen Freiheit bestehen, gelingt es Cikán, auch den Inhalt besonders präzise zu übertragen. Gegenüber der ersten Ausgabe (Labor 2012) hat der Übersetzer einige Ungenauigkeiten korrigiert und das Nachwort erweitert.
Das Kētos hat auch eine Auswahl von Máchas Briefen herausgebracht. Als weiterführende Lektüre empfehlen sich Otokar Březina und Vítězslav Nezval. Mit Máchas Mai ist außerdem Rilkes Cornet eng verwandt.
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Gefördert durch das Kulturministerium der Tschechischen Republik.
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Karel Hynek Mácha: Mai
(Máj, 1836)
übersetzt und mit Nachwort versehen von Ondřej Cikán
illustriert von Antonín Šilar
illustriert von Antonín Šilar
März 2020 / Kētos Band 11
160 Seiten
Hardcover mit Fadenbindung und Lesebändchen
EUR 20 / CZK 320 (bis 28.2. 2023)
EUR 25 / CZK 390 (ab 1.3. 2023)
ISBN: 978-3-903124-09-7
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Leseprobe:
Es war spät Abend – erster Mai –
Abends der Mai war Liebeszeit.
Das Täubchen rief zur Lieb herbei,
Der Föhrenhain duftete weit.
Von Liebe flüsterte das Moos;
Und blühend log von Schmerz ein Baum,
Die Nachtigall sang ihren Traum,
Die Rose schwieg, sie seufzte bloß.
Im Sträucherschatten still zerronnen
Rauschte der See geheimes Leid,
Das Ufer hielt ihn lang und breit;
Und fremder Welten helle Sonnen,
Sie irrten durch azurne Strähnen,
Loderten dort wie Liebestränen.
Die Welten auch, die höher strebend
In ewger Liebe Zuflucht nahmen;
Bis sie – sich immer höher hebend,
Verloschen still, wie Funken schwebend –
Verirrt, verliebt zusammenkamen.
Der Luna volles Angesicht –
Bleiche Helle, helles Verbleichen,
Die Liebste sucht, doch er muß weichen –
Errötete in zartem Licht;
Sie sah sich in den Wassern stehen
Und mußte nach sich selbst vergehen.
Fern sah man dunkle Höfe scheinen:
So kamen sie sich nah, ganz nah
Und lagen bald umarmt schon da,
Tief, tiefer, um sich ganz zu einen
Im dunklen Schoß der Dämmerungen.
Auch Bäume halten sich umschlungen. –
Am fernsten liegt der Berge Schatten,
Wo Birke, Kiefer süß ermatten,
Zu zweit ganz, und die Wellen rollen
Den Wellen nach. Nichts bleibt der vollen
Liebe jetzt fern – zur Liebeszeit.
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Leseprobe:
Es war spät Abend – erster Mai –
Abends der Mai war Liebeszeit.
Das Täubchen rief zur Lieb herbei,
Der Föhrenhain duftete weit.
Von Liebe flüsterte das Moos;
Und blühend log von Schmerz ein Baum,
Die Nachtigall sang ihren Traum,
Die Rose schwieg, sie seufzte bloß.
Im Sträucherschatten still zerronnen
Rauschte der See geheimes Leid,
Das Ufer hielt ihn lang und breit;
Und fremder Welten helle Sonnen,
Sie irrten durch azurne Strähnen,
Loderten dort wie Liebestränen.
Die Welten auch, die höher strebend
In ewger Liebe Zuflucht nahmen;
Bis sie – sich immer höher hebend,
Verloschen still, wie Funken schwebend –
Verirrt, verliebt zusammenkamen.
Der Luna volles Angesicht –
Bleiche Helle, helles Verbleichen,
Die Liebste sucht, doch er muß weichen –
Errötete in zartem Licht;
Sie sah sich in den Wassern stehen
Und mußte nach sich selbst vergehen.
Fern sah man dunkle Höfe scheinen:
So kamen sie sich nah, ganz nah
Und lagen bald umarmt schon da,
Tief, tiefer, um sich ganz zu einen
Im dunklen Schoß der Dämmerungen.
Auch Bäume halten sich umschlungen. –
Am fernsten liegt der Berge Schatten,
Wo Birke, Kiefer süß ermatten,
Zu zweit ganz, und die Wellen rollen
Den Wellen nach. Nichts bleibt der vollen
Liebe jetzt fern – zur Liebeszeit.