03.02.2025

Josef Kocourek: Frau

 übersetzt und mit Nachwort versehen von Ondřej Cikán






Josef Kocourek (1909–1933) ist eine unglaubliche Entdeckung. Trotz seines sehr kurzen Lebens in bitterarmen Verhältnissen an der tschechoslowakischen Peripherie im nördlichen Sudetenland hinterließ er ein umfangreiches Werk, das großteils erst in den 1960er Jahren, in weiten Teilen überhaupt erst nach 2020 aufgearbeitet und ediert worden ist. 

Kocoureks Romane, Erzählungen und Gedichte fügen sich einerseits in die goldene Zeit der tschechischen Literatur – die Moderne der 1920er Jahre – bestens ein, andererseits geht der wilde Autor, der seine Werke in atemberaubenden Tempo zwischen Holzhacken und Studium schrieb, ganz eigene Wege. Eine solche Verbindung von Surrealismus (vgl. Nezval und Biebl), Sozialroman und tschechischer Romantik (vgl. Mácha) findet sich sonst kaum.

Den Roman "Frau" schrieb Kocourek seinen Tagebüchern und Zeitzeugen zufolge in jeweils nur ca. fünf Tagen dreimal – mit 17, 18 und 20 Jahren –, wobei er die älteren Versionen immer verbrannte. Der Roman handelt von Anna Zavřelová, die aus ihrer erzwungenen Ehe flieht, sich mit verschiedenen Verbrechern einlässt, wüste Abenteuer erlebt, schließlich scheitert und zugleich auf tragische Weise triumphiert. Extreme Leidenschaft wird mit der Gewalt einer Dampflokomotive illustriert, äußerste, fast mittelalterliche Armut trifft auf gehobenes Bürgertum. Die Perspektiven wechseln ständig, sodass man sich kaum sicher sein kann, ob das Erzählte wahr ist. 

Deutschsprachige Leserinnen und Leser werden da und dort Vergleiche zu Hauptmanns "Bahnwärter Thiel" oder zu Hesses "Steppenwolf" ziehen, aber bei Kocourek ist die strahlende Heldin eine Frau – die Frau schlechthin –, was die sympathisch obsessive Verehrung alles Weiblichen in der tschechischen Literatur der Zwischenkriegszeit auf die Spitze treibt. Und Kocoureks traumartiger Stil ist so erdverbunden, romantisch, bilderreich, dass es so wirkt, als hätte der Romantiker Karel Hynek Mácha hochselbst einen Gesellschaftsstudie geschrieben.

Auf jeden Fall empfehlenswert ist ein Vergleich von Kocoureks Roman "Frau" mit dem etwas später verfassten programmatischen Roman des Poetismus "Valerie und die Woche der Wunder" von Vítězslav Nezval. 

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Gefördert durch das Kulturministerium der Tschechischen Republik
und ein Arbeitsstipendium des BMKÖS. 

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Josef Kocourek: Frau
übersetzt und mit Nachwort versehen von Ondřej Cikán,
mit einem Frontispiz von Josefine Schlepitzka

März 2025 / Kētos Band 35
144 Seiten
Hardcover mit Fadenbindung und Lesebändchen
EUR 25 / CZK 390

ISBN: 978-3-903124-35-6